Menschen wurden erschaffen, um geliebt zu werden. Dinge wurden erschaffen, um benutzt zu werden. Dass Dinge geliebt und Menschen benutzt werden, ist der Grund dafür, dass sich die Welt im Chaos befindet.
Dalai Lama
Vor Kurzem habe ich das Buch „Konsum, warum wir kaufen, was wir nicht brauchen“ von Carl Tillessen gelesen. Leider hat die Fertigstellung dieses Reviews irgendwie länger gedauert als geplant. Durchhänger und mangelnde Motivation … ich bin also keine fünf Artikel konsistent geblieben, aber ich verspreche, ich bessere mich.
Also zurück zum Buch von Tillessen. Ich bin einfach über einen Kindle-Vorschlag gestolpert. Ich habe seit geraumer Zeit ein Kindle und dachte mir als alter Pfennig-Fuchser ich kaufe das Modell mit den Amazon-Sonderangeboten im Lockscreen, weil es 10€ günstiger ist. Unabhängig davon, dass ich so ganze 10€ gespart habe, sind die Angebote und Vorschläge, dem Algorithmus sei dank sogar manchmal ziemlich interessant. So kam es auch dazu, dass ich mir „Konsum, warum wir kaufen, was wir nicht brauchen“ zugelegt habe.
Ich persönlich kaufe viel Kram. Wenig Kleider tatsächlich und falls doch ziemlich oft Vintage (ja, schon bevor es cool war), aber allgemein einfach viel Kram. Technischer Schnickschnack, Spielereien, Deko-Artikel … Meine Freundin hingegen kauft viel Kram und vor allem viele Kleider. Sie bestellt sehr gern bei H&M, ASOS und natürlich auch bei SHEIN. Ihr habe ich das Buch bereits während des Lesens empfohlen, weil man Erkenntnisse macht, die wirklich erschreckend sind. Ich denke, wir alle ahnen zumindest, wie schlecht es den Menschen in den Textilfabriken geht. Der ein oder andere Skandal kommt immer wieder ans Licht und ich schätze jeder von uns weiß, dass die 2€ SHEIN-Oberteile wohl kaum von einem glücklichen, nicht ausgebeuteten Großmütterchen genäht werden, das viel Spaß bei der Arbeit hat und auf freiwilliger Basis arbeitet um sich unter fairen Bedingungen ein bisschen was zu ihrer Rente dazu zu verdienen.
Man verschließt gerne die Augen vor Leid und Elend. Aber an diesem Leid und Elend, den unser aller Konsum verursacht, sind vor allem wir schuld. Was ich als besonders erschreckend empfinde, ist die Tatsache, dass mit geringem Aufwand für uns alle Angestellten solcher Textilfabriken ein besseres Leben führen könnten. Aktuell verdienen Textilarbeiter*innen nur 20 % von dem, was man als existenzsichernden Lohn bezeichnen könnte. Wir auf unserer Seite der Welt diktieren den Firmen, bei denen wir einkaufen, die Preise und diese machen es unter welchen Maßnahmen auch immer möglich.
Faktisch wurden 90 % aller Produkte, die wir kaufen, nicht unter fairen Bedingungen hergestellt. Das Buch hat mir wieder vor Augen gerufen, wie unfair die Wohlstandsverteilung auf der Welt ist. Allein durch das Glück in Deutschland geboren zu sein, kann ich mir Luxus auf Kosten anderer leisten und habe einen angenehmen Alltag und Jobaussichten, die mich nicht psychisch und physisch bereits als Kind zerstören. Hier kann jeder (ja nicht 100 % jeder) frei wählen, was er später machen möchte und welchen Bildungsweg er einschlagen will.
Schwierig ist es, gerade in der Textilindustrie Produkte zu kaufen, bei deren Produktion kein Mensch gelitten hat. Selbst hohe Preise implizieren weder gerechte Löhne noch menschenwürdiger Umgang mit den Arbeitern. Ich habe das Gefühl, dass Nächstenliebe zwar ein Thema ist, aber soziale Ungerechtigkeit trotzdem immer hinten angestellt wird. Und soziale Ungerechtigkeit, die unsere Mitmenschen in weit entfernten Ländern betrifft, lässt uns auch verhältnismäßig kühl.
Auch unabhängig von Textilien fördern wir mit unserem Konsumverhalten die Ausbeutung. Wenn wir sagen, wir lassen mal unsere Mitmenschen aus der Gleichung raus, kann man genau so gut auf unseren Fleischkonsum und die Massentierhaltung zeigen. Lassen wir auch die Komponente Tier raus, dann schauen wir uns die Ikea-Billigmöbel an und können uns sicher sein dass die Natur auch unter unserem Konsum leidet.
Was dieses problematische Verhalten verstärkt, ist die Tatsache, dass wir aus Langeweile kaufen. Egal ob wir die Produkte kaufen, wir bestellen einfach, um uns die Zeit zu vertreiben. „Wir kaufen nicht mehr nur im Netz, wir kaufen auch schon fürs Netz“. Ich kenne das auch von mir. Eigentlich brauch ich gar keine neue Jacke, aber ich habe schon 5 Instagram-Posts, auf der ich meine Lieblingsjacke trage,… ein 6. wäre doch wirklich zu viel. Auch Essen und Trinken fotografieren wir, um andere daran teilhaben zu lassen und wir zeigen natürlich gerne unserem Umfeld, wie toll unser Airbnb im Süden ist und was wir uns für einen tollen Urlaub gönnen. Nicht nur dass wir so den eigenen Konsum ankurbeln und den Konsum unserer Mitmenschen anstacheln, ich finde, irgendwo werten wir uns selbst damit ab. Ich spreche bewusst in der 1. Person Plural, weil ich mich an vielen Stellen des Buches selbst wieder erkannt habe. Früher hatte ich Handys eigentlich immer genau 2 Jahre lang. Das lag nicht daran, dass ich dann immer ein neues hatte, sondern daran, dass ich dann das letzte Handy meines Vaters bekommen habe, der über seinen Vertrag ein neues erhalten hat. Die Handys waren also ca. 4 Jahre in Gebrauch. Das letzte Handy, das ich 4 Jahre genutzt habe, war mein Oneplus One. Außerdem war es das erste und bisher einzige Handy, das ich so lange benutzt habe, bis es kaputt war.
Man kauft nichtmehr das, was man wirklich benötigt, sondern viel mehr alles, was man sich gerade leisten kann. „Wenn man plötzlich doppelt so viel verdient wie vorher, dann ist das Geld am Ende des Monats trotzdem weg. Egal, wie viel Geld man zur Verfügung hat, man gibt es aus. Und wenn man sich von irgendetwas plötzlich fünfmal so viel leisten kann wie früher, weil es jetzt in Billiglohnländern produziert wird, dann kauft man sich davon eben fünfmal so viel.“
Das eigentliche Problem erläutert Tillessen sehr gut in seinem Buch, eine Lösung kann er allerdings nicht so recht formulieren. Es würde uns wahrscheinlich ca. 5% mehr kosten als der aktuelle Preis der Artikel, um dafür zu sorgen, dass die Textilarbeiter*innen einen fairen Lohn erhalten. Trotzdem kommt das Geld nicht dort an, auch wenn wir bei einer höherpreisigen Marke kaufen. „Wir müssen akzeptieren, dass es nie gut genug sein wird. Wir können und müssen uns aber bemühen, es wenigstens so gut wie möglich zu machen“. Das bringt es finde ich gut auf den Punkt. Jeder ist verantwortlich und jeder muss sich überlegen, was er tun kann und tun möchte, um einen Teil zur gesünderen Konsumgesellschaft beizutragen. SHEIN wird keine Zukunft haben, wenn niemand SHEIN Kleider kauft.
Fair produzierte Kleidung kann genau so ein Trendprodukt werden wie vegetarische oder vegane Lebensmittel. Vor 15 Jahren gab es nicht mal 10 % der Artikel, die jetzt fleischfrei Angeboten werden, einfach weil das Interesse groß genug geworden ist und Firmen die Chance erkannt haben, damit Geld zu verdienen. Wenn nachhaltige Kleider cool sind, dann wird auch das Angebot in diesem Bereich wachsen, davon bin ich überzeugt.
Carl Tillessen macht in seinem Buch verständlich, welche Auswirkungen unser Konsumverhalten wirklich auf die Umwelt und Mitmenschen hat. Bedingt durch die Pandemie wurde die Digitalisierung maßgeblich beschleunigt, was zusätzlich zur Langeweile und Isolierung zu einer Explosion des Konsums geführt hat. Es ist dringend notwendig, dass jeder eigenverantwortlich handelt und es ist wichtig, die Augen nicht vor menschlichem oder tierischem Leid zu verschließen, nur weil es nicht in unserem Sichtfeld passiert.
Ich denke, jeder kann dieses Buch guten Gewissens konsumieren, denn ich finde jeder sollte bewusster konsumieren. Ich glaube, jeder kann sich in ein paar Punkten des Autors wieder erkennen. Dieser schließt sich selbst auch in die Gleichung mit ein und zeigt nicht bloß mit dem Finger auf andere.
Wenn mein Review zu „Konsum, warum wir kaufen, was wir nicht brauchen“ dein Interesse geweckt hat, dann lies es doch einfach selbst und lass mich wissen, was du für eine Meinung dazu hast. Ich freue mich auch über Kritik oder deine Meinung zum Thema, nutz doch gerne die Kommentare oder schreib mir eine Mail.
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Ansonsten bedanke ich mich fürs Lesen und wünsche dir noch eine schöne Woche!